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Ansprache: Verleihung des Anne-Klein-Frauenpreises an Dr. Nivedita Prasad

2. März 2012
Ansprache von Barbara Unmüßig


Liebe Freundinnen und Freunde von Anne Klein,
liebe Nivedita Prasad,
sehr geehrte Birgit Rommelspacher,
sehr geehrter Markus Lönig,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,

Anne Klein wäre heute 62 Jahre alt geworden. Vor einem Jahr hat Anne ihre besten Freundinnen und Freunde zum Feiern auf den Darß eingeladen. Es war wohl ein heiteres Fest. Frohen Mutes, mit Klarheit und großer Bestimmtheit – Eigenschaften, die prägend für ihr ganzes Leben waren – hat sie kurz vor ihrem Tod im April 2011 auch ihre Idee zum Anne-Klein-Frauenpreis umgesetzt.

Im Januar 2011 erreichte mich zum ersten Mal die Überlegung Annes, den Preis mit der Heinrich-Böll-Stiftung zu verbinden. Ich wusste um ihr jahrzehntelanges frauenpolitisches Engagement, persönlich kannten wir uns nicht. Unbedingt wollte ich wissen, wer Anne ist und was sie mit dem Anne-Klein-Frauenpreis an persönlicher und politischer Botschaft verbinden will.

Mir war wichtig, dass Anne weiß, dass ihre großartige Schenkung für einen jährlichen Frauenpreis bei der Heinrich-Böll-Stiftung in ihrem feministischen Sinne bestens eingebettet und aufgehoben ist. Ich habe ver-sucht, ihr so viel wie möglich über unsere gemeinsame Leidenschaft für Frauenrechte und Geschlechterge-rechtigkeit, für sexuelle Selbstbestimmung und politische Teilhabe von Frauen nahezubringen.
Gemeinsam mit der von Anne noch ausgewählten Jury – Renate Künast, Michaele Schreyer, Thomas Herrendorf und Jutta Wagner – fühle ich mich als Treuhänderin Annes, die mit diesem Preis mutige und herausragende politische Initiativen für Frauenrechte ganz konkret unterstützen will.

Anne hat sich jahrzehntelang mit ganzer Energie für Frauenrechte, gegen Gewalt gegen Frauen, für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und gegen jede Form der Diskriminierung eingesetzt. Anne wusste immer darum, dass gesellschaftliche Veränderung durch politische Bewegung und Druck von unten kommt. Sie war eine wichtige Akteurin der Berliner und bundesdeutschen Frauenbewegung.
Politik machen, Machtverhältnisse zugunsten von Frauen verändern, war eine ihrer großen Leidenschaften. Der Frauensenat im „Berliner Frauenfrühling“ Ende der 80er Jahre war – ich zitiere aus einem Artikel, aus der Wochenzeitung Freitag – „eine nachhaltige Versuchsanordnung in Sachen Frauen und Macht“ – auch für Anne als Frauensenatorin.

Unrecht abschaffen, den Zugang zu Recht möglich machen, Rechtsetzung prägen, das war wohl Annes größtes Anliegen. Sie war Juristin mit Leib und Seele. Mit der ganzen Energie der Juristin hat sie mit vielen Mitstreiterinnen die Rechtsetzung und -praxis gegen weibliches Unrecht und Diskriminierung in Deutschland zu verändern begonnen.

Jutta Wagner sagte in ihrer Trauerrede über Anne Klein:
„Diskriminierungen wahrzunehmen bedeutet nicht selbstverständlich, dagegen aufzustehen und dagegen zu kämpfen. Anne Klein hat das getan.“

Anne hatte aber auch stets die konkrete Hilfe und Unterstützung im Hier und Jetzt für Frauen und Mädchen im Sinn, die Opfer von Gewalt und Demütigung sind. Das erste Berliner Frauenhaus und das erste feministische Rechtsberatungszentrum in Kreuzberg hat sie mit Mitstreiterinnen ins Leben gerufen. Konkrete Beratung und Zuflucht für Frauen und Mädchen, die finanzielle Absicherung für Projekte wie Wildwasser, die Gründung des Berliner Mädchenhauses – die Liste ihres sehr konkreten praktischen Engagements für Frauen in sehr schwierigen Lebenssituationen ist lang.

Aufstehen, einmischen, verändern – das zeichnete das Leben und Wirken von Anne Klein aus. Dafür bewundere ich sie. Und ich danke ihr aus vollem Herzen für ihre großzügige Schenkung an uns. Es ist ein besonderes Glück, künftig mit ihrem Namen verbunden, Frauen aus Deutschland und aller Welt für ihr feministisches Engagement auszeichnen zu dürfen.

Und die Jury hat eine wunderbare 1. Preisträgerin des Anne-Klein-Frauenpreises gefunden: Nivedita Prasad. Anne Klein – das meine ich hier sagen zu dürfen – freut sich über diese Preisträgerin. Und sie sind sich – das wusste die Jury wahrlich nicht – in ihrem gemeinsamen Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen, gegen Frauenhandel und Rassismus auch begegnet.

Nivedita Prasad hat im von Anne mit gegründeten Berliner Mädchenhaus gearbeitet und ist seit vielen Jahren Mitarbeiterin von ‚Ban Ying‘– der Beratungs- und Koordinationsstelle gegen Menschenhandel. Anne Klein hat die Gründung von Ban Ying unterstützt.

Lassen Sie mich hier im Namen der Jury sagen, was uns von ganzem Herzen bewogen hat, Nivedita Prasad zur ersten Preisträgerin des Anne-Klein Frauenpreises zu machen:
Sie kämpft seit vielen Jahren für Frauen- und Menschenrechte, gegen Menschenhandel und Diskriminierung. Sie macht Menschenrechtsverletzungen und Unrecht gegen Frauen öffentlich. Sie kämpft gegen Rassismus und gegen die Gewalt gegen Migrantinnen. Nivedita Prasad hilft von Gewalt und Menschenhandel betroffenen Frauen über ihre Arbeit in der Beratungsstelle Ban Ying ganz konkret.

Aber damit gibt sie sich nicht zufrieden. Sie ist keine Juristin wie Anne, aber sie hilft Strafverfolgung durchzusetzen und Rechtssetzung voranzutreiben. Bundesweit bekannt: der Versuch der Strafverfolgung eines Diplomaten, der eine indonesische Hausangestellte wie eine Sklavin in der Botschaft in Deutschland behandelt hat. Wie kann dieser Mann, der unter diplomatischer Immunität steht, strafrechtlich belangt werden? Wie kann die Betroffene Recht bekommen und wenigstens finanziell kompensiert werden? Das treibt Nivedita Prasad um und schreibt damit hoffentlich bald in Karlsruhe und beim Straßburger Menschenrechtsgerichtshof Rechtsgeschichte.

Und was uns neben all dieser Pionierinnenarbeit auch von Frau Prasad eingenommen hat, ist die Verknüp-fung ihres Erfahrungswissens mit konzeptionellen und theoretischen Konzepten, wie neue Präventionsmodelle aussehen müssten und wie die Ausbildung in der Sozialarbeit mit menschenrechtsbasierten Grundsätzen verbunden werden muss.

Der Anne-Klein-Frauenpreis geht an eine kluge, wunderbare Frau, mit einer ereignisreichen Lebensgeschichte. An eine Frau, die hartnäckig und leidenschaftlich gegen Unrecht gegen Frauen und gegen Rassismus kämpft, an eine Frau voller politischer und konzeptioneller Ideen, die sich schon konkret überlegt, was sie mit einem Teil des Preisgeld politisch initiieren will. Aber davon wird sie später erzählen.

Wir werden über den Preis hinaus, Nivedita wo möglich mit ihren Initiativen unterstützen.

Ganz wie Anne Klein nimmt Nivedita Prasad Diskriminierungen nicht nur wahr, sie mischt sich ein und verändert so die Welt. Klug, mutig, furchtlos – das würde Anne Klein gefallen.

Herzlichen Dank!


 

Audiomitschnitt vom Anne-Klein-Frauenpreis 2012

Preisverleihung Anne-Klein-Frauenpreis 2012 by boellstiftung

Fotos der Preisverleihung